INTERVIEW mit Harald von der Koordinierungsgruppe
Solidarische Stadt Hamburg (Ein Bündnis von über 80 Organisationen, Gruppen, Einrichtungen und Netzwerken)
Kannst du unseren Leser*innen in wenigen Sätzen erzählen: Was steckt hinter dem Bündnis – Solidarische Stadt Hamburg? Wie ist die Idee entstanden?
Die Idee ist vor gut 2 Jahren aus einer Diskussion entstanden, die im Vorgänger-Bündnis AHHP (Aktionskreis Hamburg hat Platz) über die Frage geführt wurde: Wie kann der außerparlamentarische Druck auf den Senat erhöht werden, damit dieser sich dem Abschottungskurs der Bundesregierung entgegenstellt und zu einer wahrhaft solidarischen Politik der Aufnahme von Schutzsuchenden entschließt.
Unsere Überlegung war, dass es nicht reicht, wenn immer nur die „üblichen Verdächtigen“ Seebrücke, Flüchtlingsrat, BHFI (Bündnis Hamburger Flüchtlingsinitiativen) fordern, mehr flüchtenden Menschen eine Zuflucht zu bieten. Vielmehr müssten alle Kräfte in Hamburg gebündelt werden, die eine solidarische Stadtgesellschaft anstreben. Vorbilder waren z.B. Barcelona, Palermo, Berlin und andere europäische Städte, die sich zu Solidarity Cities erklärt haben und das Menschenrecht auf Asyl auch gegen die Politik ihrer nationalen Regierungen verteidigen wollen.
Im September 2019 war es dann endlich soweit, dass wir eine Gründungsversammlung durchführen konnten, auf der ein Grundsatz-Dokument beschlossen wurde, welches bis Ende 2019 von weit über 80 Organisationen, Gruppen, Einrichtungen und Netzwerken unterzeichnet wurde.
Kann man denn bei Euch auch als Einzelperson mitmachen?
Unbedingt! Wir haben uns zwar als Organisationsbündnis gebildet, aber inzwischen sind in unseren AGs auch Einzelpersonen aktiv, die nicht in einer der Mitgliedsgruppen engagiert sind. Das ist für unsere Arbeit sogar besonders wichtig, weil wir die Organisierten ja nicht aus ihren Gruppen „abwerben“ wollen.
Wer Interesse hat, meldet sich am besten per Email bei uns: solistadthamburg@posteo.de
Welche Herausforderungen seht ihr aktuell durch Corona?
Tja, Corona hat uns, wie viele andere Initiativen, die andere Schwerpunktthemen als den Gesundheitsschutz für die deutsche Mehrheitsgesellschaft haben, ziemlich hart getroffen, eben weil sich alles nur noch um das Virus dreht, und weil die absolut notwendigen Hygieneregeln große Straßenaktionen sehr erschweren und Versammlungen in Innenräumen ganz unmöglich machen.
Wir sind natürlich gegen jede Verharmlosung der Pandemie, wollen aber immer wieder anmahnen, dass nicht nur die Alten besonderen Schutz erhalten, sondern auch die sozial Benachteiligten, die Wohnungslosen, die Geflüchteten in den Sammelunterkünften und vor allem die Menschen, die auf ihrer Flucht an den Grenzen der Festung Europa gestrandet und Opfer schwerer Menschenrechtsverletzungen geworden sind.
Wie bist du persönlich zum Bündnis gekommen? Was treibt dich an und was sind deine Ziele, Wünsche bzw. Visionen?
Als 2013 die Gruppe von 300 aus Libyen über Lampedusa Geflüchteten in Hamburg angekommen war, habe ich mich einer Unterstützer*innen-Gruppe in Altona angeschlossen, die heute noch als Ottenser Gesprächskreis zu Flucht und Migration aktiv ist, habe 2016 den AHHP und wie gesagt dann 2019 das SoliStadt-Bündnis mitbegründet.
Meine Ziele und Visionen? Ich möchte meinen Teil dazu beitragen, dass zunächst die Entsolidarisierung in unserer Gesellschaft durch Neoliberalismus, soziale Spaltung, Rassismus und andere rechte Ideologien gestoppt wird. Meine Vision wird in unserem Grundsatzdokument beschrieben. Es wäre das gesellschaftliches Gegenmodell, das erstens auf dem Prinzip gleicher Rechte für alle Menschen, die in unserer Stadt und in unserem Land leben, basiert, und das Solidarität mit allen Notleidenden jenseits der Grenzen einschließt.
Was möchtest du unseren Leser*innen noch mitteilen?
Ich würde mich wahnsinnig freuen, wenn ich mit diesem Interview einem Leser oder einer Leserin Anstoß gegeben hätte, bei uns mitzumachen!
Weitere Infos und aktuelle Termine gibt es unter:
Nächste Aktionen:
Die wichtigste Aktion in den nächste Wochen ist die Kampagne „Menschen.Würde.Wohnen.“, die dazu aufruft Banner von Balkonen und aus Fenstern zu hängen bzw. Plakate in Fenster zu kleben, auf denen menschenwürdiges Wohnen für alle geforderte wird, für Obdachlose, Geflüchtete und Menschen, die auf der Flucht an den Außengrenzen Europas aufgehalten werden.
In den darauf folgenden Monaten werden wir auf eine „Rettungskette“ von Hamburg bis ans Mittelmeer hinarbeiten, die am 18.9.21 gebildet werden soll. Gruppen aus ganz Deutschland, aus Österreich und Italien arbeiten an diesem Projekt.