von Anja Werner

An einem der ersten warmen Abende, die uns dieser Frühling bescherte, traf ich mich mit ein paar Freunden im „Karls Café & Weine“ – einem äthiopisch-eritreischen Restaurant in Ottensen. Mit dabei war Bethlehem – Bethi, eine junge Eritreerin und Neu-Hamburgerin. Ich hatte sie dazu eingeladen, die Speisen aus „Karls Café“ zu probieren und dabei von den typischen Gerichten ihrer Heimat und den besonderen Ritualen rund ums eritreische Essen zu erzählen.

Ich war als Erste beim Lokal und wurde sofort von einem herrlichen Mix aus Weihrauch- und Popcorn-Duft empfangen, der aus dem kleinen Lokal auf die Straße wehte. Alex, der Inhaber, stellte sich mir vor und ließ mich den schönsten Platz aussuchen. Ich wählte einen kleinen Tisch im Außenbereich. „Geh auch mal rein“ sprach er ganz vertraut mit mir, „und sieh dir alles an.“ Das ließ ich mir natürlich nicht nehmen. Im Gastraum duftete es nach Kaffee, der den ganzen Abend über in einer Kaffee-Zeremonie zubereitet wird. Nein, hier drückte natürlich niemand auf den Knopf des Vollautomaten, vielmehr saßen zwei junge Afrikanerinnen zusammen und brühten nach alter Tradition den weltberühmten äthiopischen Kaffee auf. An den Wänden hingen landestypische Bilder, Flaggen und Trachten, auf den Schränken stand äthiopische und eritreische Handwerkskunst. Sogar der Fußboden war authentisch mit Gras und Blumen ausgelegt.

„Dieses Gras steht für den Segen der Fruchtbarkeit“ erklärte Bethi, die gerade dazugekommen war, und lachte – also besser schnell wieder raus. Der Rest meiner Freunde war bereits eingetroffen, wir setzten uns und bestellten Wein. Bethi blieb bei Wasser. „Wein schlägt mir auf den Magen“, erzählte sie uns, „das war schon immer so. Auch die Schärfe unserer Speisen vertrage ich nicht immer so gut.“ Bethi stammt aus Eritrea, ist 30 Jahre alt, lebt seit etwa drei Jahren in Hamburg und ist gläubige Christin. „Ich koche hier sehr oft die Gerichte, die ich von meiner Mutter gelernt habe, besonders an Feiertagen, nur gibt es manchmal nicht die gleichen Zutaten wie zuhause oder sie heißen anders.“ So hatte sie einmal Freunde gebeten, ihr Gehacktes mitzubringen, um daraus eine typische Speise aus ihrem Heimatland für sie zu kochen. Gemeint hatte Bethi Fleisch, das, wie in Eritrea üblich, mit dem Messer gehackt wird – wie eine Art Gulasch. Doch wer bei uns Gehacktes bestellt, bekommt Mett. Mett kennt die eritreische Küche jedoch gar nicht. Bethi musste also improvisieren und hat dennoch etwas Leckeres gezaubert.

In Karls Restaurant gab es dann ein Menü in drei Gängen. Man kann es mit Fleisch, als vegetarische Speisen und vegane Alternative bestellen. Vor dem Essen wurde uns eine Kanne mit Wasser und eine Schale gereicht, in der wir unsere Hände wuschen, denn in Eritrea isst man mit der Hand. Die Vorspeise: drei verschiedene Brote, drei verschiedene Aufstriche und Mus-Arten sowie ein Schälchen mit einem leckeren, frischen Linsensalat. Das Brot mit der getrockneten Tomate kommt mir allerdings spanisch vor – das kann ich mir nicht als eritreische Spezialität vorstellen. Gibt es das wirklich in Eritrea? „Ja, ganz genau so,“ sagte Bethi.

Der Hauptgang für fünf Personen kam dann auf einem riesigen, runden Teller, der in die Mitte des Tisches gestellt wurde. Ein Injera-Fladen lag auf dem wagenradgroßen Teller zuunterst, darauf die verschiedensten Gemüse, Soßen und Hähnchenbeine. Dazu brachten uns die Kellnerinnen weitere gerollte Injera. Bethi riss ein Stück des Fladens mit ihrer linken Hand ab, das sah mit einer Hand schon ziemlich akrobatisch aus, fuhr damit in die Soße und, jetzt wird’s spannend, steckte es ihrem Sitznachbarn in den Mund. „Bei uns ist das ein Zeichen des Respekts. Wir füttern die Menschen, denen wir Respekt zollen.“ Auch wir anderen waren nun eifrig am Füttern.

Bereit standen außerdem eine große Schale mit Hühnerbeinen für uns alle und ein Schälchen mit körnigem Frischkäse. „Der Frischkäse neutralisiert übrigens die Schärfe der anderen Speisen. Wem das Essen zu scharf wird, der rührt sich Frischkäse unter“, erklärt Bethi und nimmt sich einen großen Löffel davon. Ich genieße die Schärfe und finde sie sehr angenehm.

Während des Essens stellen wir Bethi viele Fragen, wir sind richtig neugierig geworden:

Welche Grundnahrungsmittel habt ihr in Eritrea?

Unsere Injera-Fladen sind aus Teff-Mehl und sogar glutenfrei. Es gibt reichlich Kohl: Grünkohl, Weißkohl, all sowas. Außerdem machen wir viele Soßen oder Salate mit Linsen. Wenn man sie zerstampft, bekommt man sämige Soßen davon. Und an alles geben wir getrocknete Chilischoten, sie wirken antibakteriell.

Sieht euer Ernährungsplan viele tierische Produkte vor?

Ein sehr bekanntes Gericht enthält ein Hühnerbein und ein gekochtes Ei, aber eigentlich ernähren wir uns größtenteils vegan. Zu Fastenzeiten verzichten wir ganz auf tierische Produkte.

Wie oft fastet ihr denn?

Zweimal in der Woche für einen ganzen Tag und mehrmals im Jahr für mehrere Wochen.

Gibt es etwas, das man bei Tisch nicht tut?

Man leckt sich nicht die Finger ab. Meine Mutter hat immer geschimpft, wenn ich das als Kind getan habe.

Wie behandelt man Gäste? Ist das wie bei uns?

Ja, es ist sehr ähnlich. Der Gast bekommt immer zuerst und immer das beste Stück. Er wird mit ein paar Happen gefüttert und bekommt von allem am meisten. Gastfreundschaft wird bei uns großgeschrieben.

Erinnerst Du Dich an einen Brauch, der bei euch zuhause immer eingehalten wurde?

Zu jedem gemeinsamen Essen hat mein Vater zuallererst jedem Familienmitglied ein Stück Injera gereicht, das wir ohne Soße aßen. Danach begann das eigentliche Essen.

Wir plauderten noch lange mit Bethi. Ich fand es bemerkenswert, wie das Essen von einem gemeinsamen Teller unsere Gruppe im Laufe des Abends immer vertrauter gemacht hat – oder war es das Essen mit den Händen? Insgesamt war es jedenfalls ein weitaus innigeres und gemütlicheres Zusammensein, als eine Mahlzeit in einem schicken Hochglanzrestaurant, bei der man sich gegenübersitzt.

Und wie fand Bethi das Essen bei „Karls“ und den gemeinsamen Abend? „Es war toll und hat nach Zuhause geschmeckt.“

Abderrahman Aloui (28) und Robiel Hadish (21) sind Freunde. Der eine ist in Hamburg geboren und aufgewachsen, der andere ist vor zwei Jahren von Eritrea nach Hamburg geflüchtet. Kennengelernt haben sich die Beiden beim Sprachunterricht von HAMBURGER*MIT HERZ, heute sind sie Mentor und Mentee. Wie das funktioniert und was die Beiden besonders aneinander schätzen, lesen Sie hier.

Valentin Asensio von HAMBURGER*MIT HERZ: Wie habt ihr beide euch kennengelernt?
Abdu:
Ich habe mich bei HAMBURGER*MIT HERZ bereiterklärt, für einen Mentee da zu sein und wollte gern jemanden kennenlernen, der aus Eritrea kommt und geflüchtet ist.

Wie bist Du zu HAMBURGER*MIT HERZ gekommen, Robiel?
Robiel:
Ich wollte Deutsch lernen, habe den Deutschkurs für etwa fünf Monate besucht und habe hier dann Abdul kennengelernt. Das war nach meinem Integrationskurs. Anfang März habe ich auch meine nächste Sprachprüfung: B1. Ich habe in einem Hamburger Refugee-Café gehört, dass man bei euch Sprachkurse besuchen kann. Meine Freunde haben mich dann einfach mal mitgenommen.

Robiel, war Hamburg Deine erste Station in Deutschland?
Robiel:
Ich habe mich in der Schweiz als Geflüchteter registrieren lassen. Dann war ich etwa zwei Wochen in Frankfurt bevor ich nach Hamburg gekommen bin. Ich habe gehört, dass es hier sehr schön sein soll.

Was machst Du gerade, Abdu?
Abdu:
Ich studiere momentan noch bis Ende Juli an der HAW, der Hochschule für Angewandte Wissenschaften, „Mediasystems“. Das geht in Richtung Informatik, Programmieren, App-Entwicklung, Webdesign.

Habt ihr beiden euch sofort gut verstanden oder musstet ihr euch erst ein bisschen aneinander gewöhnen?
Abdu:
Wir haben uns zuerst hier bei HAMBURGER*MIT HERZ getroffen und direkt ein erstes Treffen vereinbart. Wir haben bei mir zuhause Tee getrunken und uns in Ruhe darüber ausgetauscht, wie Robiel hierhergekommen ist und was ich so mache.

Habt ihr schon viel zusammen unternommen?
Abdu:
Bei unserem zweiten Treffen waren wir zusammen essen in der Schanze und Robiel ist auch schon mal bei uns im Wohnheim an die Bar gekommen oder wir haben zusammen gekocht.

Wie oft seht ihr euch?
Abdu:
Alle zwei bis drei Wochen. Das liegt gerade daran, dass ich momentan so stark an der Uni eingebunden bin. Wir möchten uns nämlich gern etwas häufiger sehen.
Robiel: Und ich bin momentan jeden Tag in der Schule und habe dreimal die Woche Nachhilfe in Grammatik nachmittags im Refugee-Café.

Was mögt ihr denn besonders am anderen?
Abdu:
Robiel ist richtig bemüht, alles gut zu schaffen. Immer, wenn ich mit ihm rede, merke ich, wie er besser wird mit der Sprache. Er ist sehr bemüht, Arbeit zu finden und Deutsch zu lernen und hat mir gesagt, dass er gern noch mehr mit Deutschen zu tun hätte, um noch besser Deutsch lernen zu können.

Robiel, hast Du ein Ziel, auf das Du hinarbeitest?
Robiel:
Weitermachen mit meinem Deutsch, erst B1, dann B2 und dann würde ich gerne eine Ausbildung machen. Ich habe früher in Eritrea als Automechaniker gearbeitet und habe in Deutschland ein Praktikum gemacht zwei Wochen lang. Und ich würde gern noch mehr Praktika machen.

Ist Dir am Anfang irgendetwas besonders aufgefallen, als Du nach Deutschland gekommen bist?
Robiel:
Die Leute stehen zum Beispiel in der S-Bahn nicht auf für ältere Menschen. Das gibt es in Eritrea nicht. Wenn ich hier aufstehe, wollen die Leute das manchmal gar nicht und fragen mich, warum ich das mache.

Was machst Du gern in Deiner Freizeit?
Robiel:
Ich gehe sehr gern spazieren, treffe Freunde oder gehe ins Fitnessstudio. Damit habe ich gerade angefangen, zwei- bis dreimal die Woche.
Abdu: Ich gehe regemäßig zum Fußballspielen und will da jetzt auch Robiel mal mitnehmen.

Gibt es etwas, Robiel, wofür Du Abdul dankbar bist?
Robiel:
Ja, dafür, dass er mein Freund ist. Er zeigt mir, was man hier alles machen und lernen kann und wir haben viel Spaß zusammen.
Abdu: Ich versuche, Robiel bei organisatorischen Dingen zu unterstützen. Aber er ist einfach immer schneller als ich. Das nächste Mal, wenn wir uns sehen, hat er das dann schon selbst erledigt (beide lachen). Das finde ich schon echt gut an ihm. Er kümmert sich und versucht, sich sein Leben hier so gut wie möglich aufzubauen.

Abdu, was hast Du von Robiel gelernt?
Abdu:
Ich habe viel über sein Heimatland erfahren und davon, wie er früher gelebt hat. Das hat mich geprägt, weil ich das erst gar nicht glauben konnte. Und ich finde es einfach bewundernswert, wie er das alles hier gemanagt bekommt. Das fällt mir ja schon manchmal schwer, da kann ich echt noch von ihm lernen, von dieser Zielstrebigkeit.

 

 

 

NEW! Hamburger mit Herz e.V. Mentoringprojekt mit Geflüchteten. #MenteeMittwoch

Es gibt was Neues von unserem Mentoring-Projekt: Ab sofort ist bei uns jeden Mittwoch „MenteeMittwoch“. Dann gibt es jeweils ein aktuelles Video, in dem wir Menschen vorstellen, die sich eine Mentorenschaft wünschen, Menschen, die in dem Projekt mitarbeiten und mehr. Unsere aktuellen Videos finden Sie hier (unser Youtube-Kanal) und auf unserer Facebook-Seite.

Noch Fragen, Anregungen? Interesse, einen Neu-Hamburger zu begleiten? Dann melden Sie sich gern bei unseren Koordinatoren. Oder kommen Sie einfach vorbei:

Jeden Mittwoch bieten wir von 16 bis 18 Uhr eine „Mentoring-Sprechstunde“ an.
Oder schauen Sie zu den Öffnungszeiten der „Herzkammer“ vorbei:

Mo-Mi: 14 bis 19 Uhr
Fr. 9-13 Uhr

Hier ist das Auftakt-Video:

von Anja Hajduk

 

Immer noch sind zurzeit weltweit über 65 Millionen Menschen auf der Suche nach Schutz für sich und ihre Familien. Hamburg und Deutschland haben vor allem in den letzten zwei Jahren viele neue Geflüchtete aufgenommen. Hamburg ist Heimat geworden für Menschen aus Syrien, Irak, Afghanistan und vielen anderen Konfliktherden dieser Welt.

In meiner politischen Arbeit im Bundestag stand in den vergangenen Jahren häufig das Thema Kosten für die Ausgaben für Geflüchtete auf der Tagesordnung. Übersehen wird dabei der Faktor, dass durch Migration – vor allem Arbeitsmigration – auch Einkommen wieder in die Herkunftsländer zurück fließt. Viele Migrant*innen unterstützen ihre Familien, Verwandte und Bekannte, in dem sie einen Teil ihres Gehaltes nach Hause schicken, dies nennt man Rücküberweisungen. Laut Weltbank machten diese Geldtransfers weltweit im Jahr 2016 fast 380 Milliarden Euro aus. Das ist fast dreimal so viel Geld wie die Summe der offiziellen Entwicklungszusammenarbeit aller Mitgliedsstaaten der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD), diese betrug 2016 „nur“ 125 Milliarden Euro. In vielen Ländern machen die Rücküberweisungen an die zu Hause gebliebenen Familien und Bekannten einen Großteil des Bruttoinlandsproduktes (BIPs) aus. Gerade für kleine und fragile Länder sind Rücküberweisungen extrem wichtig, in Nepal und im Libanon betragen diese fast 30 Prozent des BIPs.

Arbeitsmigration gab es schon immer und wird es auch immer in unserer globalen Welt weiter geben. Eine selbstbestimmte Migration sollte als Chance für Herkunfts- und Aufnahmestaat anerkannt werden. Sie wirkt positiv, da sie Familien in den Schwellen- und Entwicklungsländern unterstützt. Mit den Geldern wird Armut verringert, die lokale Wirtschaft gefördert und es eröffnen sich Bildungschancen für Kinder. Wenn die Migrant*innen wieder in ihre Heimatländer zurückkehren, bringen sie neue Fähigkeiten mit und können eine Bereicherung für Wirtschaft und Gesellschaft sein. Arbeitsmigration hat aber auch eine Schattenseite. Sie führt ebenfalls dazu, dass die wenigen gut Ausgebildeten ihre Heimatländer verlassen und es so dort zu einem „braindrain“ kommt. Wenn die gut Ausgebildeten auch die Familienoberhäupter sind, werden Familien oftmals zerrissen, Kinder wachsen bei ihren älteren Verwandten auf, so entstehen in manchen Regionen regelrechte „Waisendörfer“. Rücküberweisungen sind daher nur ein Teil der Lösung zu mehr globaler Gerechtigkeit.

Für mich bleibt die beste Entwicklungspolitik diejenige, die Menschen davor bewahrt, ihre Heimat verlassen zu müssen. Fluchtursachenbekämpfung bedeutet für mich eine Politik umzusetzen, die daran arbeitet, die strukturellen Ursachen der Zerstörung von Lebensgrundlagen langfristig zu beheben. In der globalisierten Welt hilft es dabei wenig, wenn alle mit dem Finger auf die Anderen zeigen. Fluchtursachenbekämpfung heißt deshalb für mich zunächst nach der eigenen Verantwortung zu fragen und hier dafür zu sorgen, dass wir zum Beispiel keine Waffen in Krisengebiete liefern und die europäische Agrar- und Handelspolitik mit Afrika endlich fair gestalten. Mehr dazu auch im AutorInnenpapier: Grün.Global.Gerecht

 

Ihre Anja Hajduk

Bundestagsabgeordnete und Hamburger Spitzenkandidatin Bündnis 90/Die Grünen

Mentor & Mentee

Miki (27, aus Eritrea) ist bereits seit zwei Jahren in Deutschland und besucht regelmäßig den Deutschunterricht von HAMBURGER*MIT HERZ. Dort lernte er vor einiger Zeit den Hamburger Lennart kennen. Nach einer anfänglichen Schnupperphase bemerkten beide, dass sie viele Interessen teilten und auch andere Gemeinsamkeiten hatten. „Wir sind sogar gleichgroß“, bemerkte Miki. Und so wurde Lennart Mikis Mentor.

Zurzeit studiert Lennart Politikwissenschaften, dennoch treffen sich Mentor und Mentee fast wöchentlich – zum Kaffeetrinken oder auch mal auf ein Bier. Am wichtigsten ist es für Miki, deutsch zu sprechen, da Übung ja bekanntlich den Meister macht. Zugute kommt den beiden jungen Männern auch die geografische Nähe, Lennarts Stadtteil Eimsbüttel ist nicht weit entfernt von Eppendorf, wo Miki mittlerweile lebt.

Seit Februar macht Miki nun eine Vorberatung zur Ausbildung (EQM) zum KFZ-Mechatroniker. Auch hierbei ergeben sich oft gemeinsame Gesprächsthemen, da Lennart bereits eine Ausbildung zum Feinwerkmechaniker abgeschlossen hat.

Die Unterstützung geht noch weiter: Gemeinsam machen die beiden Behördengänge oder gehen zu Terminen im Jobcenter. Lennart hat Miki auch bei Bewerbungen und der Wohnungssuche geholfen. Hier verfügt ein Alt-Hamburger wie der 28-jährige Lennart natürlich über einen enormen Erfahrungsschatz, von dem Neu-Hamburger Miki nur profitieren kann. Und während die beiden viel zusammengesessen, gelacht und sich unterhalten haben, vielleicht über einer Tasse Kaffee oder im Flur irgendeiner Behörde – sind sie klammheimlich Freunde geworden.

Von Valentin Asensio

 

Wenn auch Sie gerne Mentor/in eines Neu-Hamburgers werden wollen oder Fragen dazu haben, melden Sie sich bitte hier: Mentoring@hamburger-mit-herz.de

 

Am Sonntag, den 23. April, fand der Haspa-Marathon statt und wir von HAMBURGER*MIT HERZ waren natürlich dabei und haben am Staffellauf teilgenommen. Mit unseren zwölf Läufern aus Eritrea haben wir die Teams „Integration“, „Mentoring“ und „Hamburger mit Herz“ an den Start gebracht.

Um 8 Uhr morgens haben sich alle Läufer und Helfer getroffen, um die letzten Vorbereitungen zu treffen. Die Startunterlagen waren schnell ausgehändigt, nun hieß es für die ersten drei Läufer, den Startblock zu finden und sich auf eine Distanz von 16,3 km einzustellen. Das war gar nicht so einfach. Start und Ziel befanden sich beim Messegelände, hier starteten knapp 14.000 Athleten und die Straßen waren voller Zuschauer.

Das Wetter zeigte uns an diesem Tag, was „Aprilwetter“ genau bedeutet. Von strahlendem Sonnenschein bis Hagelschauer waren alle Witterungs-Facetten vertreten. Doch davon ließen wir uns nicht unterkriegen und um 9 Uhr startete der Wettkampf.

Die erste Staffel führte vom Messegelände über St. Pauli bis nach Othmarschen, von da aus ging es zurück über die Speicherstadt – bis am Jungfernstieg der erste Wechselpunkt erreicht wurde. Die zweite Staffel führte an der Außenalster entlang Richtung Norden, nach 11,2 km wurde der zweite Wechselpunkt am Überseering erreicht. Die dritte Staffel war mit 5,4 km die kürzeste Distanz. Am Meienweg wurde die Staffel für den Zieleinlauf über Rotherbaum, mit einer Strecke von 9,4 km, das letzte Mal übergeben.

Wir sind sehr froh, dass alle Läufer ihre Distanzen mit Bravour gemeistert haben und mit einer Top-Zeit von 03:13:11 auf Platz 30 der Männerwertung stehen (Gesamtwertung Platz: 57). An dieser Stelle gratulieren wir unseren Läufern und freuen uns über diesen sportlichen Erfolg.

Ein weiterer Dank richtet sich an unsere Helfer, die auch bei stärkstem Hagelschauer die Nerven behielten und unsere Läufer mit den öffentlichen Verkehrsmitteln sicher zu ihren Wechselzonen begleiteten.

Die Ergebnisse im Überblick:
Team „HAMBURGER*MIT HERZ“: 03:13:11
Team „Integration“: 03:16:09
Team „Mentoring“: 03:44:23

Von Valentin Asensio

Aufgezeichnet von Meike Krämer

Sebastian Wierling ist Notfallsanitäter und lebt in Hamburg. Vergangenes Jahr wurde er durch einen Kollegen auf die Arbeit des Seenotrettungsschiffes „Minden“ aufmerksam. Gerade befindet er sich wieder an Bord des LifeBoats auf seiner Rettungsmission vor der libyschen Küste. Der 34-Jährige hatte beruflich immer mal wieder in Erstaufnahme-Einrichtungen für Flüchtlinge zu tun und begann, sich für die Hintergründe der Geflüchteten zu interessieren: Woher kommen die Menschen? Wie sind sie in Hamburg gelandet? Und aus welchen Gründen? Dies ist seine Geschichte.

„Das erste Mal war ich Anfang November 2016 während meiner Urlaubszeit auf dem LifeBoat. Ich komme aus der Krankenpflege und bin im Rettungsdienst tätig, habe also schon viel erlebt und mit Menschen in Notsituationen zu tun gehabt. Auf der „Minden“ war das aber etwas ganz Anderes. Die Geflüchteten sind auf Booten eingequetscht mit 120-130 anderen Personen. Die Menschen haben keine Ahnung vom Meer, wissen nicht, was Seegang ist, können nicht schwimmen und haben keine Ahnung, wie weit es bis zur europäischen Küste ist. Sie haben eine lange Flucht hinter sich und werden dann aufs Meer geschickt. Man merkt diesen Leuten einfach an, dass sie durch sind. Sie sind psychisch und physisch am Ende, müssen dann noch ohne Vorräte und Trinkwasser über das Meer und sind mitten in dieser Weite, wo nichts ist. Sie sind fertig mit der Welt, wenn man sie an Bord nimmt. Viele sind krank, erschöpft oder haben alte Wunden, die sich entzündet haben, leiden unter Infekten, die sie nicht auskurieren können. Es sind aber auch noch ganz andere Verletzungen dabei, durch das Salzwasser, die Sonne, das Benzin und Verbrennungen durch die ständige Reibung am Boot. Irgendwann macht das der Kreislauf auch nicht mehr mit.

Da war ein Vater mit seinen zwei Kindern. Er war gar nicht mehr in der Lage, sich um die beiden zu kümmern. Er brauchte erst mal seine Zeit an Bord, um zu realisieren, dass er überlebt hat, dass seine Kinder überlebt haben, die Frau leider nicht. Auch Mütter, die neben ihrem bewusstlosen Kind sitzen, total zusammengesunken. Da ist kein Körperkontakt, man merkt einfach, dass sie auf Distanz gegangen sind. Sie haben abgeschlossen und den Gedanken akzeptiert, dass sie das nicht überleben werden. Sie haben sich psychisch distanziert und brauchen lange, bis sie sich wieder um ihre Kinder kümmern können. Auf der anderen Seite habe ich aber auch viel Menschlichkeit erlebt, weil sich beispielsweise die Männer darum kümmern, dass Frauen und Kinder zuerst an Bord des sicheren Schiffes kommen, dass Frauen sich um fremde Kinder gekümmert haben, die allein auf dem Boot waren. Sie haben diese Kinder in den Arm genommen und getröstet.

Die Menschen, die wir retten, sind sehr dankbar. Etwas, das ich hier in Deutschland im Rettungsdienst oft vermisse. Hier wird so etwas für selbstverständlich genommen, als Dienstleistung, die jedem zusteht. Aber dort rechnen die Menschen nicht damit, dass ihnen jemand hilft. Das hat mich schon auch gepackt.

Ich bin kein politischer Typ, absolut nicht. Ich habe zwar meine Meinung, aber das ist nichts für mich, dieses ganze politische Gequatsche und dieses Geschacher. Das sind Menschen in Not! Kein Mensch muss auf dem Meer sterben, keiner muss ertrinken, verhungern oder verdursten. Jeder Mensch soll leben und jeder Mensch soll seine Chance kriegen – und nicht aufgrund irgendeines komischen Wirrwarrs, wegen eines Krieges oder irgendwelcher politischen Entscheidungen, auf Wege gebracht werden, auf denen er stirbt. Das treibt mich an. In Deutschland lebe ich in einem vergleichbaren Luxus. Wir haben hier eine sichere Struktur und dort sind Leute in Not, also nehme ich ein bisschen von meinem Luxus, meinen Urlaub, und gehe da runter und helfe, damit jeder seine Chance kriegt und sein Leben weiter gestalten kann.“

© Foto Elena Zaucke

Die Tage werden zwar langsam wieder länger, dennoch steht uns der Sinn nach Wärme und Gemütlichkeit. Seit Anfang November treffen wir uns deshalb jeden Donnerstag von 16 bis 18 Uhr in der Kultur-„Fabrique“ im Gängeviertel (Valentinskamp 34a, Zugang von der Speckstraße) und häkeln zusammen mit einigen Neu-Hamburgern, die wir schon aus dem Sprachunterricht von HAMBURGER*MIT HERZ kennen. In der kalten und dunklen Jahreszeit wollten wir gern etwas zusammen mit den jungen Leuten machen, die wir sonst nur im Sprachunterricht erleben. Während unserer Handarbeits-Treffen bietet sich nun endlich die Gelegenheit, bei einem Becher Tee ins Gespräch zu kommen. Wir häkeln, schnacken und lachen zusammen und vertreiben auf diese Art ein wenig die winterliche Kälte. Wenn Sie Lust haben, mitzumachen, melden Sie sich einfach bei uns unter fluechtlingshilfe@hamburger-mit-herz.de oder kommen sie spontan vorbei. Wir freuen uns auf Sie!

Ein Bericht von Meike Krämer Ein Montagabend Anfang Januar vor der St. Markus-Gemeinde in Hamburg-Hoheluft. Ich bin total durchgefroren und froh, als ich die Tür zum Gemeindesaal öffne und mir mollige Wärme und ein buntes Stimmengewirr entgegenschlägt. Vier Tische sind aufgebaut, an denen jeweils ein Lehrer oder eine Lehrerin vier bis sechs Neu-Hamburger in Deutsch […]

Helferporträt Elke Wrage: „Ich möchte den Menschen helfen, hier Fuß zu fassen“

Elke Wrage ist 67 und unterstützt „Hamburger mit Herz“ seit über einem Jahr beim Deutschunterricht und als Mentorin für geflüchtete Eritreer. Mit ihrem großen Herzen und ihrem unermüdlichen Tatendrang ist die gelernte Bankkauffrau eine enorme Bereicherung für unseren Verein. Wir sagen: „Danke für Deinen Einsatz, liebe Elke!“

Warum wolltest Du gerne helfen?

Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass geflüchtete Menschen bestimmt nicht freiwillig und aus finanziellen Gründen, sondern aus höchster Not ihre Heimat verlassen und unter unheimlichen Strapazen. Das macht keiner freiwillig! Ich stelle mir immer vor, ich wäre in dieser Situation und da würde ich mich auch freuen, wenn mir Menschen helfen würden. Wenn ich mir vorstelle, ich komme in ein Land, dessen Sprache ich überhaupt nicht kenne, die Menschen an sich nicht kenne und keiner kommt mir entgegen, da würde ich mir unwahrscheinlich verloren vorkommen.

Welches war das erste Projekt, das Du unterstützt hast?

Das war der Sprachunterricht, ich bin jeden Donnerstagvormittag da. Es ist mir ein großes Bedürfnis, diesen Menschen in irgendeiner Form zu helfen. Ich bin nicht besonders wohlhabend, deshalb bringe ich eben meinen persönlichen Einsatz. Ich habe meine Sprache ja auch mal gelernt und deshalb weiß ich, dass es eine sehr schwierige Sprache ist. Jetzt gebe mir alle Mühe, sie den jungen Menschen näher zu bringen.

Wenn Sie Mentor werden wollen dann schreiben sie uns an Mentoring@Hamburger-mit-Herz.de

Als Muttersprachlerin kennt man ja nicht unbedingt die Regeln der deutschen Grammatik. Wie ist das bei Dir?

Ich hatte in meiner beruflichen Laufbahn eigentlich immer mit Korrespondenzen zu tun gehabt. Grammatik und Rechtschreibung sind mir also nie fremd gewesen. Ich hatte früher einen Deutschlehrer, den habe ich heute noch im Ohr, wenn jemand etwas Falsches sagt (lacht). Ich hatte da also eine recht gute Ausbildung. Wenn ich unterrichte und kann eine Frage nicht beantworten, dann sage ich das und schaue nochmal nach.

Mentorin bist Du ja auch noch. Was machst du zusammen mit Deinen Mentees?

Ich treffe mich beispielsweise mit ein paar Geflüchteten und unterhalte mich mit ihnen. Sie möchten gern sehr viel sprechen, denn durch die Unterhaltung lernen sie die Sprache am besten. Wir treffen uns, gehen spazieren und ich zeige ihnen Hamburg. Mit einigen Teilnehmern waren wir im Wildpark Schwarze Berge und hatten da unheimlich viel Spaß. Über die Zeit hat sich da so eine Verbundenheit aufgebaut. Ich bekomme zum Beispiel immer mal wieder What’sApp, in denen ich gefragt werde, wie es mir geht. Oder sie haben Fragen zu ihrem Integrationskurs. Ich habe ihnen gesagt, dass sie sich jederzeit melden können. Wir haben es hier ja hauptsächlich mit Eritreern zu tun und das sind von Natur aus sehr schüchterne und zurückhaltende Menschen und auch sehr dankbare, aber sie würden eigentlich nie vorpreschen, wenn sie Fragen haben. Man muss ihnen das erst beibringen, dass sie sich selbst melden müssen, weil man ja nicht ahnen kann, ob sie einen gerade brauchen.

Um wen kümmerst Du Dich gerade besonders?

Da ist eine junge Frau aus Eritrea mit einem kleinen Sohn, die mittlerweile eine eigene Wohnung in Wilhelmsburg haben. Ihr Mann arbeitet irgendwo in Nordfriesland und kommt gelegentlich zum Wochenende nach Hamburg. Die junge Frau kommt immer zu uns zum Deutschunterricht und wir gehen gelegentlich zusammen spazieren, waren im Sommer zum Beispiel im Planten un Blomen und in der Stadt unterwegs. Und dabei machen wir Deutschunterricht. Ich erkläre ihr alles, was wir so sehen, und sie fragt ganz viel. Und es ist so schön, wenn man so ein kleines Würmchen großwerden sieht.

Was bedeuten Dir das Mentoring und der Sprachunterricht?

Ich fühle mich da einfach sehr wohl und hoffe, ich kann ein bisschen helfen. Es ist für mich ein sehr befriedigendes Gefühl und bringt mir großen Spaß. Wir Deutschen sagen immer, wir sind human und wir kümmern uns um alles. Doch wenn es mal ein bisschen mehr wird, kommen gleich die ersten Bestrebungen, umzukippen und alles anders zu machen. Das ist etwas, womit ich ganz schlecht umgehen kann. Denn wenn man ehrlich ist, musste von uns bisher keiner in irgendeiner Form eine Kürzung hinnehmen, keiner von uns musste bisher auf irgendetwas verzichten, nur weil in Deutschland jetzt Flüchtlinge leben. Das sind alles so Sprechblasen, die zum Anheizen ins Volk geworfen werden, das finde ich ganz schrecklich. Wenn ich manchmal die Betroffenheit dieser Menschen aus Eritrea in ihren Gesichtern sehe. In Momenten, in denen sie sich unbeobachtet fühlen, wenn sich dann ihr Blick verliert… In solchen Momenten weiß man, dass man nicht gern dort sein möchte, wo sie jetzt sind. Das ist schon heftig. Wenn ich es dann schaffe, dass sie lachen, dann gibt mir das sehr viel. Diese Menschen haben genug negative Erfahrungen gemacht, da möchte ich ihnen helfen, hier Fuß zu fassen. Und das haben wir ja auch vielfach schon geschafft. Einige machen Praktika oder beginnen jetzt eine Ausbildung.

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