Post aus Mekerie

von Joanna Abram

Wie Sie aus unserem vorigen Newsletter wissen, war ich im Februar in Mekerie. Dort habe ich mich nicht nur um die Verteilung der Spendengelder und andere organisatorische Dinge gekümmert. Ich durfte auch Post aus Mekerie von 20 Kindern für deren Paten in Deutschland mitnehmen. Briefe bekommen und selbst schreiben ist für die Patenkinder ein wirkliches Highlight in ihrem oft recht monotonen Alltag und sie freuen sich immer wahnsinnig über die Post aus Deutschland. Gerade werden die Briefe übersetzt und dann an die Paten versendet.

Wenn Sie selbst Pate eines äthiopischen Kindes sind, nehmen Sie sich doch ein paar Minuten, um Ihrem Patenkind zu schreiben. Sie ahnen gar nicht, was für eine Freude Sie damit machen. Sie können die Briefe per Mail an patenkinder@hamburger-mit-herz.de senden oder an unsere Postanschrift. Im Oktober sind wir das nächste Mal in Äthiopien und können die Briefe dann übergeben.

Bisher haben wir ein Drittel der Kinder aus Mekerie vermittelt. Die anderen warten noch sehnsüchtig auf einen eigenen Paten. Einen Paten zu haben ist für die Kinder etwas ganz Besonderes und bedeutet einen kleinen Hoffnungsschimmer und Lichtblick in ihrem Alltag. In Zeiten wie diesen, da die Äthiopier wieder mit einer schlimmen Dürre zu kämpfen haben und die Vereinten Nationen gerade erst vor einer der schlimmsten Hungerkrisen der letzten Jahrzehnte gewarnt haben, brauchen gerade die äthiopischen Kinder unsere Unterstützung.

Wir würden uns sehr freuen, Sie als Paten in der HAMBURGER*MIT HERZ-Familie begrüßen zu dürfen. Wenn Sie dazu Fragen haben, melden Sie sich gerne bei mir: joanna.abram@hamburger-mit-herz.de.

 

Von Joanna Abram

Nach mehreren Monaten bürgerkriegsähnlicher Unruhen in Äthiopien war es endlich soweit: Die Lage im Inland hatte sich so weit stabilisiert, dass wir im Februar die Reise in unser Partnerdorf Mekerie antreten konnten. Bis zu unserer Ankunft in Äthiopien wussten wir nicht, ob wir es auch tatsächlich bis in das kleine Dorf schaffen würden. Trotzdem wollten wir es unbedingt versuchen.

Bei unserer Ankunft in Bahir Dar, der Hauptstadt der Amhara-Region, fühlten wir uns einigermaßen sicher und unsere anfänglichen Bedenken lösten sich in Luft auf. Erst als wir mit den Menschen vor Ort sprachen, erzählten sie uns von ihrer noch andauernden Angst wegen der vielen Aufstände der letzten Monate. Viele trauten sich abends nicht auf die Straße, weil sie eine erneute Eskalation befürchteten. Allerdings fuhren die öffentlichen Transportmittel wieder, sodass wir unsere Reise nach Mekerie bereits am nächsten Tag fortsetzen konnten.

In Mekerie haben wir schnell gemerkt, wie wichtig die regelmäßige Anwesenheit von HAMBURGER*MIT HERZ e.V. ist, um die Verantwortlichen vor Ort bei wichtigen Entscheidungen und deren Umsetzung zu unterstützen. Also haben wir in unserer Komitee-Besprechung gemeinsam alle offenen Punkte diskutiert und die nächsten Schritte geplant. Das Komitee verteilt dann die Spendengelder an die Kinder im Dorf. So werden jährlich bis zu 470 Kinder unterstützt und können die Schule besuchen. Und das allein mit 50 Patenschaften, die wir bisher vermittelt haben.

Auch wenn mir jedes einzelne unserer Patenkinder sehr ans Herz gewachsen ist, hatte ich während meiner Reise ein kleines, persönliches Highlight: Ich habe endlich mein Patenkind, den etwa 10-jährigen Ataloy, kennenlernen dürfen. (In Äthiopien lässt sich das genaue Alter nicht bestimmen, weil es keinerlei offizielle Aufzeichnungen über die Geburten gibt.) Es war ein ganz besonderer Moment für mich, mit Ataloy über sein Leben, seine Familie, seine Hobbies und Ziele zu sprechen und einen Teil seiner Familie kennenzulernen. Ich bin schon sehr gespannt, wie sich sein Leben weiter entwickeln wird und freue mich, dass er nun ein Teil von meinem ist.

Im Apri 2016 sind Mitglieder von HAMBURGER*MIT HERZ in das äthiopische Patendorf gereist.
Neben Reparaturen an Solarlampen und der Übergabe von Spendengelder an das Dorf-Komitee wurde eine Dokumentation gedreht. Einen Tag begleiten wir das junge Mädchen Emebet bei ihrem Alltag in Mekerie.
Die Dokumentation vermittelt authentische Einblicke in die Wohnsituation bei der Mutter, das Schulleben und die Lebensweisen im Dorf.

Ein Film von Maik Lüdemann
 

 

Die Schule in Mekerie und die Dorfbewohner brauchen Licht! Mekerie und die umliegenden Dörfer liegen in einem Gebiet, in dem es keine Stromversorgung gibt. Bis jetzt mussten die Kinder bei Kerzenlicht oder mit Petroleumlampen lernen. Hamburger*mit Herz haben Solar-Lampen entwickelt, die in Eigenregie von einem einheimischen Team vor Ort zusammengebaut, verteilt und repariert werden können. Die Lampen dienen nicht nur dazu, die Klassenräume in den Schulen zu beleuchten, sondern auch die privaten Häuser mit Licht zu versorgen. Zudem können mit der Solarlampe auch Handys und Radio-Apparate aufgeladen werden.

SCHENKEN SIE LICHT: Mit einer Spende von € 150.- pro Lampe. Jede Lampe hat eine eigene Seriennummer und wird an eine bestimmte Person oder Familie weitergegeben. Damit haben sie einen Einblick über den Verbleib ihrer Lampe. Auf Wunsch schicken wir Ihnen auch Bilder und Informationen zu Ihrer gespendeten Solarlampe. Sie helfen damit die Infrastruktur aufzubauen und weitere Dörfer und Schulen mit Lampen zu versorgen. Danke!

Hier geht es zur Projektseite mit Spendenformular

Der Tag beginnt wie jeder Tag in Mekerie, auf 2500 Metern über dem Meeresspiegel, mit leichten Kopfschmerzen und übersät von Flohbissen, die höllisch jucken. Die Sonne hat es noch nicht in die herrlich kühlen Lehmhütten geschafft, aber die Hühner und Tauben beginnen bereits mit ihrem allmorgendlichen Tanz auf den Wellblechdächern unserer Behausungen. Ein furchtbarer Wecker!
Das Quietschen meiner Tür weckt die anderen Hamburger mit Herz, die es zum 4. Mal in dieses kleine Dorf im Herzen der Welt verschlagen hat, und so langsam versammeln sich alle gähnend vor den Hütten. Aus der Ferne duftet es bereits nach Feuer, die Vorbereitungen fürs Frühstück laufen.

Ich habe Geburtstag. Zuhause würde mein Telefon heute den ganzen Tag Sturm läuten, aber hier habe ich keinen Empfang.  Ich bin endlich angezogen, habe es irgendwie geschafft, mich frisch zu machen so ganz ohne Wasser, und freue mich jetzt auf das Frühstück in Marys Hütte. Jeden Morgen bereitet sie uns frisches Rührei und Dabo zu, das einheimische Fladenbrot. Dazu gibt es süßen, schwarzen Tee. Das könnte ich immer frühstücken. In Gedanken versunken betrete ich die spartanische Küche.

Plötzlich erschallt ein mir unbekanntes Lied. Was habe ich denn da wieder verpasst? Ach nein, sie singen für mich, merke ich überrascht. Auf dem Boden liegt langes, grünes Gras. Wo haben sie das aufgetrieben, wo draußen doch alles vertrocknet ist? Alle klatschen und lachen. Popcorn wird in großen Körben herumgereicht und es wird frischer Kaffee geröstet. So ausgiebig wurde ich zuletzt gefeiert, als ich ein kleines Kind war. Wir setzen uns alle in ungewöhnlich großer Runde zusammen und genießen dieses besondere Beisammensein. Das liebe ich an Äthiopien: Es ist immer Platz, auch in der kleinsten Hütte. Was für einen wunderbaren Geburtstag die Einheimischen mir „Ferenji“, der Weißen, bereitet haben!

Doch wird in Äthiopien jeder Geburtstag so gefeiert oder wollten unsere Freunde mir eine ganz besondere Freude machen?
Normalerweise wird in Äthiopien kein großer Wert auf Geburtstage gelegt und diese auch nicht gefeiert. Viel lieber feiern die Einheimischen ihre Namenstage, Hochzeiten und Taufen mit rauschenden Festen. Seit den 90er Jahren gibt es in den großen Städten Äthiopiens allerdings den Trend des Geburtstagsfeierns von kleinen Kindern. Mekerie ist jedoch ein kleines Dorf, in dem die Geburtstage der Kinder nicht einmal vermerkt werden. Deshalb können wir bei unseren Patenkinder das genaue Alter auch nur raten.

Gizework, von Joanna Abram

Wir sitzen im Bus nach Eesti. Es ist ein heißer Apriltag in Äthiopien, der Bus ist voller Menschen und er ruckelt zügig die holperigen Wege entlang. Noch ahnen wir nicht, dass der letzte Teil unserer Äthiopien-Reise uns für immer verändern wird. Wir kommen gerade aus Mekerie – dem Dorf, das Hamburger mit Herz e.V. seit 2010 unterstützt. Mit insgesamt sechs Vereinsmitgliedern haben wir dort Spenden übergeben und uns ein Bild vor Ort gemacht. Es ist meine erste Reise nach Äthiopien und sie ist für mich viel emotionaler, als ich jemals geglaubt hätte.

Als wir uns von unseren wunderbaren Patenkindern in Mekerie verabschieden, um mit dem Bus in den nächst größeren Ort zu fahren, bemerken wir in der hinteren Reihe ein Mädchen in Begleitung ihres Vaters. Das Gesicht von Gizework ist zugedeckt, ihr Körper übel zugerichtet. Dieses schreckliche Bild werde ich mein ganzes Leben nicht mehr vergessen.

Gizework ist ein 17-jähriges Mädchen aus dem Dorf Hannah in der Region Amhara in Äthiopien. Ein Mädchen, das ein ganz normales Leben wie alle anderen Kinder in der Gegend führte. Bis zu jener Nacht, in der sie von einer Gruppe unbekannter Männer brutal überfallen und zusammengeschlagen wurde. Von ihrem Vater und ihren Onkeln wurde sie nachts zwei Stunden in das etwas größere Dorf Mekerie getragen, um dort den Bus zum nächstgelegenen Krankenhaus zu nehmen. Eine wahnsinnig anstrengende , zweistündige Fahrt über unbefestigte Straßen. Es muss eine regelrechte Tortur für die Verletzte gewesen sein.

Gleich als wir Gizeworks Geschichte hören, entschließen wir uns, der jungen Äthiopierin zu helfen. Der Vater des Mädchens, ein armer Bauer, würde sich die Behandlung seiner Tochter im Krankenhaus niemals leisten können.

Der Vater des Mädchens, ein armer Bauer, würde sich die Behandlung seiner Tochter im Krankenhaus niemals leisten können. Als wir iin der Stadt Estie ankommen, finden wir nach langer Suche endlich eine Möglichkeit, Gizework in das dortige Krankenhaus zu bringen. Die gute Nachricht: Gizework hat keine inneren Blutungen. Doch ihr Gesicht ist durch mehrere Kieferbrüche so stark entstellt, dass man sie vor Ort nicht behandeln kann.

Die nächstgelegene Möglichkeit für ihre Behandlung sei das Krankenhaus in der Stadt Bahir Dar – eine vierstündige Busfahrt entfernt. Doch es gibt keine andere Möglichkeit des Transports und wir lassen Gizework, vorerst, in guten Händen im Krankenhaus und fahren schon mal vor nach Bahir Dar, um alles weitere zu regeln.

Was wir zu diesem Zeitpunkt noch nicht ahnen können: Gizework wurde kurz nach unserer Abreise aus dem Krankenhaus entlassen, um in ihrem schlechten Zustand und mit starken Schmerzen mit dem Bus in die Regionshauptstadt zu reisen. Wir fahren daraufhin sofort ins Krankenhaus, um nach der 17-Jährigen zu sehen. Ein wahrer Krankenhausmarathon und der Kampf um Gizeworks Leben beginnen. Denn in keinem Krankenhaus bekommt unser kleines Mädchen die Rundumhilfe, die sie so dringend benötigt. Nicht einmal an etwas Schlaf oder ein wenig Ruhe ist zu denken. Ohne Geld bleiben alle Türen verschlossen.

Im dritten, privaten Krankenhaus erfahren wir, dass sich Gizeworks Zustand durch die fehlenden Medikamente sehr verschlechtert hat und sie mittlerweile in Lebensgefahr schwebt. Die Ärzte warnen, dass das Mädchen jederzeit aufhören könnte zu atmen. Nachdem die Verletzte auf meine eindringlichen Bitten wenigstens Schmerzmittel bekommt, müssen wir in das erste Krankenhaus zurück, das als einziges in der Nähe über Chirurgen verfügt. Dort erwartet uns die nächste Hürde. Man will, dass die junge Äthiopierin die Nacht in der Notaufnahme auf einem Stuhl verbringt. Das ertrage ich nun nicht mehr. Gizework ist vor mehr als 24 Stunden überfallen worden und hatte danach eine unglaubliche Odyssee hinter sich. Es ist Zeit, dass sie endlich zur Ruhe kommt und sich wenigstens etwas erholt. Nach langen Überzeugungsgesprächen mit mehreren Ärzten erzielen wir einen kleinen Erfolg. Gizework darf die Nacht auf einem Tisch/einer Trage in der Chirurgie verbringen.

Als wir am nächsten Morgen zurückkommen, hat Gizework bereits Infusionen und ein Krankenhausbett bekommen – ein Bett zwischen Schmutz und alten Krankenhausutensilien zwar, aber sie kann sich endlich ausruhen. 30 Stunden nach dem Überfall hat sie endlich etwas Ruhe. Nun braucht sie so schnell wie möglich die lebensrettende Operation, aber weit gefehlt. Besonders der Mangel an Bargeld verhindert eine schnelle Hilfe.

Sofort starten wir deshalb in Deutschland einen Aufruf mit der Bitte um Unterstützung für Gizework; in der Hoffnung, zumindest ein wenig Geld sammeln zu können. Doch nur wenige Stunden später ist die unglaubliche Summe von 2.350€ für Gizeworks Operationen und ihre Genesung bereits zusammengekommen. Xx(Anzahl) Menschen haben sofort auf unseren Aufruf reagiert. Wir sind unendlich gerührt und dankbar. Zu wissen, dass wir nicht alleine sind, hat uns noch stärker gemacht, um weiter für Gizework zu kämpfen.

Nachdem wir genug Geld haben, um die Operationen bezahlen zu können,  gibt es „nur noch“ eine letzte Herausforderung: das äthiopische Bürokratie-Chaos. Die Operation wird mehrmals verschoben, wir erhalten widersprüchliche Aussagen, die Ärzte wechseln wiederholt, genauso wie der Ort der Operation. Glücklicherweise treffen wir den schwedischen Kieferchirurgen Dr. Hans, der Gizework letztendlich operiert. Das Mädchen habe sehr komplizierte Kieferbrüche, sagt der Arzt, deshalb sind drei Operationen nötig. Noch während der dritten Operation müssen wir weiter Richtung Flughafen, um unseren Flug nach Deutschland rechtzeitig zu erreichen. Doch wir wissen, dass die 17-Jährige endlich in guten Händen ist und überleben wird.

Kurze Zeit nachdem ich zurück in Deutschland bin, berichtet mir Dr. Hans, dass die Operationen alle gut verlaufen seien und Gizework nun keinen zusätzlich Eingriff mehr benötigt. Ich empfinde ein unbeschreibliches Gefühl der Freude, Erleichterung und des Glücks. Als ob ein Familienmitglied überlebt hätte. Unsere kleine Gizework, die wir gerade mal drei Tage kannten, wird gesund! Ich kann es kaum erwarten, sie bald in Äthiopien wieder in die Arme schließen zu dürfen.

Heute möchten wir ein Statement zur Projektsituation aufgrund der Nachrichtenlage in Äthiopien abgeben. Wir sind in ständigen Kontakt zu unseren Partnern vor Ort, insofern es unseren Partnern möglich ist erreichbar zu sein. Allen Einwohnern Mekerie’s geht es gut. In der Amhara Region selbst ist die Lage unübersichtlich. Es kommt immer wieder zu Aufständen und Protesten. Das Auswärtige Amt warnt vor Reisen in die Region. Wir prüfen derzeit alle Möglichkeiten das Projekt fortzuführen, ohne Mitglieder des Vereins in unmittelbare Gefahr zu bringen. Wir sind sehr zuversichtlich, dass uns genau das gelingen wird. Wir halten euch auf dem Laufenden.

 

Ein aktueller Artikel aus der TAZ findet sich hier

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