Seit wann bist du Mentor für den Hamburger mit Herz e.V.?

Vor ziemlich gut einem Jahr, im November 2017, haben Kahsay und ich unseren Mentoren-Vertrag unterschrieben.

Wie bist du dazu gekommen? Was waren deine Beweggründe dafür Mentor zu werden?

Wir waren auf der Demo „Hamburg zeigt Haltung“, mit der wir ein Gegengewicht gegen diese Krawalle beim G20-Gipfel zeigen wollten. Dort hatte der Verein „Hamburger mit Herz“ einen Stand, auf dem sie ihre Arbeit vorstellten. Mir hat das eingeleuchtet, dass man Hilfe gut brauchen kann, wenn man sich in unserer Gesellschaft zurechtfinden muss.

Wer ist dein Mentee? Was ist das Besondere an ihm, was macht ihn aus? Welche Gemeinsamkeiten habt ihr?

Kahsay ist etwas über 40. Er hat keine Frau und keine Kinder, wohnt alleine – noch immer in einer Geflüchteten-Unterkunft in Langenhorn. In Eritrea war er Gabelstaplerfahrer und hat hier mit Erfolg eine Ausbildung zum Transport-Logistiker gemacht. Seit März arbeitet er im Schichtdienst im Hafen.
Ich finde seine Zeichnungen sehr beeindruckend. Er macht oft sehr detailgenaue Sketches z.B. von den Geräten und Maschinen, mit denen er im Hafen hantieren muss. Ich würde so gerne eine kleine Ausstellung mit seinen Bildern organisieren, aber leider fehlt mir der Ansatz, wie ich das machen kann.

Wie gestalten sich eure Treffen? Was unternehmt ihr gerne zusammen? Kannst du vielleicht sogar von einem Erlebnis kurz erzählen?

Meistens treffen wir uns an den Montagen in der St. Markus-Gemeinde. Da finden die Sprachkurse von Hamburger mit Herz statt, an denen Kahsay fleißig teilnimmt, um sein Deutsch zu verbessern. Ich komme dann für eine halbe oder eine Stunde dazu und wir besprechen, was so anliegt.

Wobei kannst du ihn unterstützen? Was hat sich durch euer Mentoring schon für ihn positiv verändert?

Zurzeit Moment versuchen wir ihn aus dem Geflüchtetenheim heraus zu bekommen. Aber das ist nicht einfach. Ich glaube, dass ich hilfreich für ihn bin, wenn es um Briefe von den Behörden geht und solchen Sachen. Ich bin auch mit den Betreuern von Fördern und Wohnen im Geflüchtetenheim im Kontakt. Wenn sie Fragen oder Wünsche an ihn haben, kann ich vermitteln. Meine Erfahrungen mit den Leuten sind auch sehr positiv. Ich habe schon den Eindruck, dass sie sich um ihre Schützlinge kümmern und sie unterstützen, so gut sie können.

Was kannst du gleichzeitig von ihm lernen? Was ist der „Gewinn“ für dich?

Vor allem habe ich für mich das Gefühl etwas nützliches zu tun.

Hast du Wünsche für deinen Mentee? Was würdest du ihm gerne auf den Weg geben?

Ich glaube, er möchte gerne seinen Bruder mit dessen Familie nachholen. Es wäre toll, wenn das klappen würde. Ansonsten habe ich das Gefühl, dass er noch etwas besser Deutsch lernen müsste und sich endlich mit dem PC anfreunden 😉

Möchtest du sonst noch etwas zum Mentorenprogramm im Allgemeinen als Feedback geben?

Ich finde das Programm eine tolle Sache und bin von den Leuten bei „Hamburger mit Herz“ begeistert. Sie haben immer etwas „auf der Pfanne“ und neue Ideen von uns Mentoren werden aufgenommen und weiterverarbeitet. Die gemeinsamen Feste bringen uns alle zusammen. Hat schon was von „großer Familie“.

 

von Valentin Asensio

Vielleicht erinnern Sie sich noch, Ende April war die Hamburger Innenstadt vom Marathon-Fieber befallen. Wir von HAMBURGER*MIT HERZ waren ebenfalls infiziert und haben gleich drei Staffeln mit insgesamt zwölf Läufern an den Start gebracht, die bei herrlichstem Sonnenschein gemeinsam eine tolle sportliche Leistung erbracht haben.
Es gab insgesamt vier Staffelabschnitte von 16,3km, 11,2km 5,4km und 9,4km. Das Wunderbare: Alle Läufer von HAMBURGER*MIT HERZ haben ihren Streckenabschnitt mit Bravour gemeistert! Die Staffelläufer kamen alle aus unseren Sprachlotsen-  bzw. unserem Mentoring-Projekt. Beim Lauf haben die Jungs wirklich alles gegeben und das Ergebnis kann sich sehen lassen: Alle drei Staffeln haben es in die Top 100 der Staffelläufer geschafft.

Platz: 23 (HAMBURGER*MIT HERZ e.V. II)
Platz: 38 (HAMBURGER*MIT HERZ e.V. I)
Platz: 100 (HAMBURGER*MIT HERZ e.V. III)

Wir als Verein sind natürlich besonders stolz und freuen uns, mit allen SchülerInnen und Mentees zusammen.
Ein riesiges Lob und Dankeschön an alle ehrenamtlichen Helferinnen und Helfer: Ohne eure Unterstützung am Marathontag hätten wir gar nicht erst antreten können. Danke für das frühe Aufstehen, die Spitzen-Hilfe und euer Mitfiebern. Ihr seid klasse!

Ich freue mich schon total auf nächstes Jahr!

von Anja Werner

An einem der ersten warmen Abende, die uns dieser Frühling bescherte, traf ich mich mit ein paar Freunden im „Karls Café & Weine“ – einem äthiopisch-eritreischen Restaurant in Ottensen. Mit dabei war Bethlehem – Bethi, eine junge Eritreerin und Neu-Hamburgerin. Ich hatte sie dazu eingeladen, die Speisen aus „Karls Café“ zu probieren und dabei von den typischen Gerichten ihrer Heimat und den besonderen Ritualen rund ums eritreische Essen zu erzählen.

Ich war als Erste beim Lokal und wurde sofort von einem herrlichen Mix aus Weihrauch- und Popcorn-Duft empfangen, der aus dem kleinen Lokal auf die Straße wehte. Alex, der Inhaber, stellte sich mir vor und ließ mich den schönsten Platz aussuchen. Ich wählte einen kleinen Tisch im Außenbereich. „Geh auch mal rein“ sprach er ganz vertraut mit mir, „und sieh dir alles an.“ Das ließ ich mir natürlich nicht nehmen. Im Gastraum duftete es nach Kaffee, der den ganzen Abend über in einer Kaffee-Zeremonie zubereitet wird. Nein, hier drückte natürlich niemand auf den Knopf des Vollautomaten, vielmehr saßen zwei junge Afrikanerinnen zusammen und brühten nach alter Tradition den weltberühmten äthiopischen Kaffee auf. An den Wänden hingen landestypische Bilder, Flaggen und Trachten, auf den Schränken stand äthiopische und eritreische Handwerkskunst. Sogar der Fußboden war authentisch mit Gras und Blumen ausgelegt.

„Dieses Gras steht für den Segen der Fruchtbarkeit“ erklärte Bethi, die gerade dazugekommen war, und lachte – also besser schnell wieder raus. Der Rest meiner Freunde war bereits eingetroffen, wir setzten uns und bestellten Wein. Bethi blieb bei Wasser. „Wein schlägt mir auf den Magen“, erzählte sie uns, „das war schon immer so. Auch die Schärfe unserer Speisen vertrage ich nicht immer so gut.“ Bethi stammt aus Eritrea, ist 30 Jahre alt, lebt seit etwa drei Jahren in Hamburg und ist gläubige Christin. „Ich koche hier sehr oft die Gerichte, die ich von meiner Mutter gelernt habe, besonders an Feiertagen, nur gibt es manchmal nicht die gleichen Zutaten wie zuhause oder sie heißen anders.“ So hatte sie einmal Freunde gebeten, ihr Gehacktes mitzubringen, um daraus eine typische Speise aus ihrem Heimatland für sie zu kochen. Gemeint hatte Bethi Fleisch, das, wie in Eritrea üblich, mit dem Messer gehackt wird – wie eine Art Gulasch. Doch wer bei uns Gehacktes bestellt, bekommt Mett. Mett kennt die eritreische Küche jedoch gar nicht. Bethi musste also improvisieren und hat dennoch etwas Leckeres gezaubert.

In Karls Restaurant gab es dann ein Menü in drei Gängen. Man kann es mit Fleisch, als vegetarische Speisen und vegane Alternative bestellen. Vor dem Essen wurde uns eine Kanne mit Wasser und eine Schale gereicht, in der wir unsere Hände wuschen, denn in Eritrea isst man mit der Hand. Die Vorspeise: drei verschiedene Brote, drei verschiedene Aufstriche und Mus-Arten sowie ein Schälchen mit einem leckeren, frischen Linsensalat. Das Brot mit der getrockneten Tomate kommt mir allerdings spanisch vor – das kann ich mir nicht als eritreische Spezialität vorstellen. Gibt es das wirklich in Eritrea? „Ja, ganz genau so,“ sagte Bethi.

Der Hauptgang für fünf Personen kam dann auf einem riesigen, runden Teller, der in die Mitte des Tisches gestellt wurde. Ein Injera-Fladen lag auf dem wagenradgroßen Teller zuunterst, darauf die verschiedensten Gemüse, Soßen und Hähnchenbeine. Dazu brachten uns die Kellnerinnen weitere gerollte Injera. Bethi riss ein Stück des Fladens mit ihrer linken Hand ab, das sah mit einer Hand schon ziemlich akrobatisch aus, fuhr damit in die Soße und, jetzt wird’s spannend, steckte es ihrem Sitznachbarn in den Mund. „Bei uns ist das ein Zeichen des Respekts. Wir füttern die Menschen, denen wir Respekt zollen.“ Auch wir anderen waren nun eifrig am Füttern.

Bereit standen außerdem eine große Schale mit Hühnerbeinen für uns alle und ein Schälchen mit körnigem Frischkäse. „Der Frischkäse neutralisiert übrigens die Schärfe der anderen Speisen. Wem das Essen zu scharf wird, der rührt sich Frischkäse unter“, erklärt Bethi und nimmt sich einen großen Löffel davon. Ich genieße die Schärfe und finde sie sehr angenehm.

Während des Essens stellen wir Bethi viele Fragen, wir sind richtig neugierig geworden:

Welche Grundnahrungsmittel habt ihr in Eritrea?

Unsere Injera-Fladen sind aus Teff-Mehl und sogar glutenfrei. Es gibt reichlich Kohl: Grünkohl, Weißkohl, all sowas. Außerdem machen wir viele Soßen oder Salate mit Linsen. Wenn man sie zerstampft, bekommt man sämige Soßen davon. Und an alles geben wir getrocknete Chilischoten, sie wirken antibakteriell.

Sieht euer Ernährungsplan viele tierische Produkte vor?

Ein sehr bekanntes Gericht enthält ein Hühnerbein und ein gekochtes Ei, aber eigentlich ernähren wir uns größtenteils vegan. Zu Fastenzeiten verzichten wir ganz auf tierische Produkte.

Wie oft fastet ihr denn?

Zweimal in der Woche für einen ganzen Tag und mehrmals im Jahr für mehrere Wochen.

Gibt es etwas, das man bei Tisch nicht tut?

Man leckt sich nicht die Finger ab. Meine Mutter hat immer geschimpft, wenn ich das als Kind getan habe.

Wie behandelt man Gäste? Ist das wie bei uns?

Ja, es ist sehr ähnlich. Der Gast bekommt immer zuerst und immer das beste Stück. Er wird mit ein paar Happen gefüttert und bekommt von allem am meisten. Gastfreundschaft wird bei uns großgeschrieben.

Erinnerst Du Dich an einen Brauch, der bei euch zuhause immer eingehalten wurde?

Zu jedem gemeinsamen Essen hat mein Vater zuallererst jedem Familienmitglied ein Stück Injera gereicht, das wir ohne Soße aßen. Danach begann das eigentliche Essen.

Wir plauderten noch lange mit Bethi. Ich fand es bemerkenswert, wie das Essen von einem gemeinsamen Teller unsere Gruppe im Laufe des Abends immer vertrauter gemacht hat – oder war es das Essen mit den Händen? Insgesamt war es jedenfalls ein weitaus innigeres und gemütlicheres Zusammensein, als eine Mahlzeit in einem schicken Hochglanzrestaurant, bei der man sich gegenübersitzt.

Und wie fand Bethi das Essen bei „Karls“ und den gemeinsamen Abend? „Es war toll und hat nach Zuhause geschmeckt.“

Abderrahman Aloui (28) und Robiel Hadish (21) sind Freunde. Der eine ist in Hamburg geboren und aufgewachsen, der andere ist vor zwei Jahren von Eritrea nach Hamburg geflüchtet. Kennengelernt haben sich die Beiden beim Sprachunterricht von HAMBURGER*MIT HERZ, heute sind sie Mentor und Mentee. Wie das funktioniert und was die Beiden besonders aneinander schätzen, lesen Sie hier.

Valentin Asensio von HAMBURGER*MIT HERZ: Wie habt ihr beide euch kennengelernt?
Abdu:
Ich habe mich bei HAMBURGER*MIT HERZ bereiterklärt, für einen Mentee da zu sein und wollte gern jemanden kennenlernen, der aus Eritrea kommt und geflüchtet ist.

Wie bist Du zu HAMBURGER*MIT HERZ gekommen, Robiel?
Robiel:
Ich wollte Deutsch lernen, habe den Deutschkurs für etwa fünf Monate besucht und habe hier dann Abdul kennengelernt. Das war nach meinem Integrationskurs. Anfang März habe ich auch meine nächste Sprachprüfung: B1. Ich habe in einem Hamburger Refugee-Café gehört, dass man bei euch Sprachkurse besuchen kann. Meine Freunde haben mich dann einfach mal mitgenommen.

Robiel, war Hamburg Deine erste Station in Deutschland?
Robiel:
Ich habe mich in der Schweiz als Geflüchteter registrieren lassen. Dann war ich etwa zwei Wochen in Frankfurt bevor ich nach Hamburg gekommen bin. Ich habe gehört, dass es hier sehr schön sein soll.

Was machst Du gerade, Abdu?
Abdu:
Ich studiere momentan noch bis Ende Juli an der HAW, der Hochschule für Angewandte Wissenschaften, „Mediasystems“. Das geht in Richtung Informatik, Programmieren, App-Entwicklung, Webdesign.

Habt ihr beiden euch sofort gut verstanden oder musstet ihr euch erst ein bisschen aneinander gewöhnen?
Abdu:
Wir haben uns zuerst hier bei HAMBURGER*MIT HERZ getroffen und direkt ein erstes Treffen vereinbart. Wir haben bei mir zuhause Tee getrunken und uns in Ruhe darüber ausgetauscht, wie Robiel hierhergekommen ist und was ich so mache.

Habt ihr schon viel zusammen unternommen?
Abdu:
Bei unserem zweiten Treffen waren wir zusammen essen in der Schanze und Robiel ist auch schon mal bei uns im Wohnheim an die Bar gekommen oder wir haben zusammen gekocht.

Wie oft seht ihr euch?
Abdu:
Alle zwei bis drei Wochen. Das liegt gerade daran, dass ich momentan so stark an der Uni eingebunden bin. Wir möchten uns nämlich gern etwas häufiger sehen.
Robiel: Und ich bin momentan jeden Tag in der Schule und habe dreimal die Woche Nachhilfe in Grammatik nachmittags im Refugee-Café.

Was mögt ihr denn besonders am anderen?
Abdu:
Robiel ist richtig bemüht, alles gut zu schaffen. Immer, wenn ich mit ihm rede, merke ich, wie er besser wird mit der Sprache. Er ist sehr bemüht, Arbeit zu finden und Deutsch zu lernen und hat mir gesagt, dass er gern noch mehr mit Deutschen zu tun hätte, um noch besser Deutsch lernen zu können.

Robiel, hast Du ein Ziel, auf das Du hinarbeitest?
Robiel:
Weitermachen mit meinem Deutsch, erst B1, dann B2 und dann würde ich gerne eine Ausbildung machen. Ich habe früher in Eritrea als Automechaniker gearbeitet und habe in Deutschland ein Praktikum gemacht zwei Wochen lang. Und ich würde gern noch mehr Praktika machen.

Ist Dir am Anfang irgendetwas besonders aufgefallen, als Du nach Deutschland gekommen bist?
Robiel:
Die Leute stehen zum Beispiel in der S-Bahn nicht auf für ältere Menschen. Das gibt es in Eritrea nicht. Wenn ich hier aufstehe, wollen die Leute das manchmal gar nicht und fragen mich, warum ich das mache.

Was machst Du gern in Deiner Freizeit?
Robiel:
Ich gehe sehr gern spazieren, treffe Freunde oder gehe ins Fitnessstudio. Damit habe ich gerade angefangen, zwei- bis dreimal die Woche.
Abdu: Ich gehe regemäßig zum Fußballspielen und will da jetzt auch Robiel mal mitnehmen.

Gibt es etwas, Robiel, wofür Du Abdul dankbar bist?
Robiel:
Ja, dafür, dass er mein Freund ist. Er zeigt mir, was man hier alles machen und lernen kann und wir haben viel Spaß zusammen.
Abdu: Ich versuche, Robiel bei organisatorischen Dingen zu unterstützen. Aber er ist einfach immer schneller als ich. Das nächste Mal, wenn wir uns sehen, hat er das dann schon selbst erledigt (beide lachen). Das finde ich schon echt gut an ihm. Er kümmert sich und versucht, sich sein Leben hier so gut wie möglich aufzubauen.

Abdu, was hast Du von Robiel gelernt?
Abdu:
Ich habe viel über sein Heimatland erfahren und davon, wie er früher gelebt hat. Das hat mich geprägt, weil ich das erst gar nicht glauben konnte. Und ich finde es einfach bewundernswert, wie er das alles hier gemanagt bekommt. Das fällt mir ja schon manchmal schwer, da kann ich echt noch von ihm lernen, von dieser Zielstrebigkeit.