Neuhamburger-Portrait: Merhawi Eyob
Porträt: Merhawi Eyob (26)
Von Eritrea nach Hamburg. Die Geschichte einer Flucht
aufgezeichnet von Anja Werner
Mein Name ist Merhawi Eyob. Ich bin 26 Jahre alt und lebe seit eineinhalb Jahren in Hamburg. Ich bin aus einer kleinen Stadt in Eritrea geflohen. Eigentlich hatte ich fünf Geschwister, aber meine ältere Schwester ist an Diabetes gestorben. Meine Eltern sind Farmer, wir Kinder sind alle zur Schule gegangen. Einer meiner Brüder ist Lehrer geworden, ein anderer Bruder arbeitet im Staatsdienst. Meine Schwestern haben sehr früh geheiratet.
Ich bin allein aus Eritrea geflohen, weil ich eine gute Zukunft haben wollte. Ich wollte studieren, aber ich sollte zum Militär. In Eritrea kann man sich seinen Job nicht selbst aussuchen oder sich einfach selbstständig machen, denn man muss machen, was die Regierung sagt. Ich hatte keine Perspektive auf ein selbstbestimmtes Leben.
Mit meinen Eltern habe ich nicht über meine geplante Flucht gesprochen. Ich bin einfach gegangen und hatte Glück. Viele Flüchtlinge haben Pech und geraten an brutale Schlepper oder sogar an Menschen, die ihnen ihre Organe stehlen. Ich hatte viel Glück auf meiner Flucht bis in den Sudan. Mit einem Freund brauchte ich zwei Nächte und zwei Tage bis dorthin. Erst als wir im Sudan waren, habe ich meine Eltern angerufen und ihnen gesagt, dass ich geflohen bin. Sie waren schockiert und enttäuscht, weil sie sich viel von mir erhofft hatten. Es war nicht so schön. Sie konnten mich auch nicht unterstützen.
Ich habe mich allein durchgeschlagen und mich an ein UN-Camp in Khartum gewendet. Dort blieb ich ungefähr zwei Monate. Ich wollte direkt nach Europa. Aber das ging nicht, weil ich kein Geld hatte und meine Eltern nicht um Geld bitten wollte. Daher bin ich in den Südsudan gefahren und habe dort beinahe zwei Jahre als Verkäufer hart gearbeitet, um Geld zu sparen. Mit dem Bus bin ich dann zurück in den Sudan. Es war schwer, denn jeder wollte Geld. Sie waren verrückt nach Geld.
Nach zwei weiteren Monaten bin ich dann mit dem Auto durch die Wüste nach Libyen gereist. Ich wurde von Schleppern dorthin gebracht, die einen aber nur bis nach Libyen bringen. Nachdem ich den Schleppern vor Ort mein ganzes Geld gegeben hatte, wurde ich nach Tripolis gebracht. Dort verbrachte ich sechs Wochen in unterschiedlichen Hallen. In einem Lager mit über 100 anderen Menschen verbrachte ich dann wieder zwei Wochen, bevor ich zu einem Schiff gebracht worden bin. Wir waren Gefangene der Schlepper. Wenn wir hätten gehen wollen, hätte jemand für uns bezahlen müssen. Man bekommt einmal am Tag zu essen. Es ist sehr wenig. Außerdem gab es viel zu wenig Wasser. Waschen konnten wir uns gar nicht.
An einem Morgen wurde ich um drei Uhr geweckt und zu einem großen Holzboot gebracht. Zum Glück war ich an Deck, denn die Menschen unter Deck bekommen wenig Luft und es ist sehr eng. Gott sei Dank ist niemandem etwas passiert. Nach acht Stunden auf dem Meer fand uns die italienische Küstenwache und brachte uns nach Lampedusa. Von dort wurden wir erst nach Sizilien gebracht, dann in die Nähe von Rom. Ab dort bin ich mit dem Zug Richtung Norden weitergefahren. Mein Neffe hatte mir Geld aus Afrika geschickt.
Kurz vor Österreich stoppte uns die italienische Polizei. Wir waren zu zweit aus Eritrea. Sie sagten, wir sollen in Italien bleiben, weil wir keine Chance hätten, nach Deutschland zu reisen. Aber wir haben es mit dem Zug versucht und bis nach Österreich geschafft. Wir haben nicht aufgegeben und Glück gehabt und waren dann endlich in München. Dort wartete die Polizei auf uns und verlangte unsere Dokumente. Sie war freundlich und brachte uns zur Polizeistation. Dort gaben wir unsere Fingerabdrücke ab.
Mit dem Bus sind wir dann in ein Camp gefahren. Dort wollte ich nicht bleiben. Eigentlich wollte ich nach Schweden fahren, aber meine Familie riet mir, in Deutschland zu bleiben. Es ist schwer, sich allein in Deutschland zurechtzufinden. Ich versuchte, meinen Onkel in Bielefeld zu erreichen. Eine Nacht musste ich in einem Bahnhof schlafen. Dann lebte ich eine Woche in Bielefeld bei meinem Onkel. Er erzählte mir von Hamburg.
Am 29.05.2015 kam ich dann in Hamburg an und seit Dezember 2016 mache ich eine Ausbildung zum Rettungssanitäter. Vielleicht kann ich mein Abitur nachholen und später Medizin studieren. Ich bin sehr froh, dass ich HAMBURGER*MIT HERZ kennengelernt habe und danke allen Menschen, die mich unterstützt haben.